„KI ist ein Sammelbegriff, ein Schwamm sozusagen, der mehrere Begriffe in sich aufnimmt und diese auch wieder freilässt.“


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Das Thema Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Und doch steht hinter der Technologie und deren Möglichkeiten für die meisten noch ein großes Fragezeichen. Wo wird künstliche Intelligenz hinführen, welche Entwicklungen sind denkbar und in welchen Bereichen wird KI bereits angewendet? Wie kann die Technologie in Unternehmen eingesetzt werden und welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? Werden dadurch auch Arbeitsplätze wegfallen und durch KI ersetzt werden?Im Rahmen der Veranstaltung „Künstliche Intelligenz – was bringt sie meinem Unternehmen?“ wurden unter anderem diese Fragestellungen thematisiert und diskutiert. Rund 100 Interessierte waren dafür am 18. September auf die Insel Mainau gekommen. Veranstalter war cyberLAGO, das digitale Kompetenznetzwerk am Bodensee, gemeinsam mit bwcon und dem Ferdinand-Steinbeis-Institut.

Prof. Dr. Jürgen Neuschwander, Vorstand von cyberLAGO und Dekan der Fakultät Informatik an der HTWG Konstanz, erklärte, dass das Hype-Thema künstliche Intelligenz eigentlich schon ziemlich alt sei. „Bereits Mitte der 40er- Jahre hat man sich das erste Mal mit der Technologie auseinandergesetzt. Aber heute sind mit KI schon Dinge möglich, die man sich damals, aber teilweise auch vor wenigen Jahren noch nicht hätte vorstellen können.“

Doch was genau ist KI eigentlich? „KI ist ein Sammelbegriff, ein Schwamm sozusagen, der mehrere Begriffe in sich aufnimmt und diese auch wieder freilässt“, erklärte Keynote-Speaker Prof. Jo Wickert, Gründer von user generated design und Professor an der HTWG Konstanz. „Deep learning und machine learning sind genauso Bestandteile dieses Schwamms wie beispielsweise die dafür notwendigen Daten.“ Zunächst sei es wichtig, die Fähigkeiten, die KI auszeichne und die sie letztendlich so besonders mache, zu verstehen. „Es gibt zwei Arten von Problemen auf der Welt – das Puzzle-Problem und das Schuh-Problem – und diese lassen sich mithilfe der zwei Gehirnhälften anschaulich erklären.“ Das Puzzle-Problem löst man rechnerisch und durch logisch-analytisches Denken, also mit der linken Gehirnhälfte. „Will ich ein Puzzle lösen, gibt es dafür genau eine Lösung. Das Schuh-Problem, also das Aussuchen des passenden Schuhs bei einer immer größer werdenden Auswahl und bei unterschiedlichen Geschmäckern, ist viel komplexer, denn das ‚Menschliche‘ spielt hierbei eine Rolle. Für dieses Problem gibt es keine 100-prozentig eindeutige Lösung. Damit wird das Schuh-Problem zu einem gegenwärtigen Problem in einer immer komplexeren Welt.“

Wo liegt also die Besonderheit der KI?

Das Puzzle-Problem hat der Computer längst gelöst, dafür ist künstliche Intelligenz nicht zwingend notwendig. „Die Besonderheit der KI liegt vielmehr darin, dass die Technologie sich anschickt, das Schuh-Problem zu lösen. KI versucht also, die komplexen Probleme zu lösen, für die es mehr braucht als nur logisch-analytisches Denken“, so Prof. Jo Wickert. Als Beispiel nennt er einen exemplarischen Aufbau und die Anordnung von Messeständen. Rund 3.500 Wünsche von Ausstellern müssen in diesem Szenario mit Sicherheitsvorschriften und einer beschränkten Fläche in Einklang gebracht werden. „Das schafft kein Mensch.“ Hier kann KI eine wertvolle Rolle spielen und unter Berücksichtigung aller Faktoren die bestmöglichste Lösung innerhalb kürzester Zeit anbieten. Das Wichtigste an der Technologie ist demnach der Lerneffekt: „KI ist ein Programm, das sich selbst etwas beibringt.“ Das zeigt sich auch in den verschiedenen Einsatzbereichen von KI. Denn auch hinter einem E-Mail-Programm steckt z. B. eine künstliche Intelligenz. „Wenn der Nutzer eine E-Mail mehrmals aus dem Spamordner in den Posteingang verschoben hat, merkt sich das System diese Handlung und lernt mit.“ Und auch Streamingdienste wie Netflix nutzen die Technologie, um, abgestimmt auf das Nutzerverhalten, Filme vorschlagen zu können. Trotz der vielen Anwendungsbereiche sei allerdings nicht absehbar, ob und wann KI einen freien, eigenen Gedanken oder eine echte eigene Emotion haben wird, fasst Prof. Jo Wickert am Ende zusammen. Klar sei jedoch: „Durch KI-Technologie verschieben sich unsere Werte: Empathie, Kreativität und Menschlichkeit werden wichtiger.“

KI im Unternehmen – was sind die Voraussetzungen und welche Möglichkeiten gibt es?

Wie Unternehmen die Technologie einsetzen können, welche Projekte und Geschäftsmodelle es bereits gibt und welche Voraussetzungen für den Einsatz von KI geschaffen werden müssen, konnten die Teilnehmer im Gespräch mit Vertretern aus verschiedenen Unternehmen erfahren.

Dass das Thema KI mittlerweile auch für kleine Unternehmen von Relevanz sein kann, machte Ralf Walther, Geschäftsführer von mindup + Intelligence GmbH aus Konstanz, deutlich. Er beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema und zog Bilanz: „Früher waren es vor allem große Konzerne, welche die nötigen Ressourcen und Daten hatten, um beispielsweise Machine Learning anzuwenden. Die Voraussetzungen haben sich aber geändert, sodass heute auch kleine Unternehmen mit wenig Geld aktiv sein können.“ Auf die Frage, wie man es schafft, KI im Unternehmen zu etablieren, meinte er: „Es muss jemanden geben, der sich bereits mit Daten auseinandersetzt und es muss vonseiten des Managements gewollt sein, die Daten nutzen zu wollen. Und dann geht es darum, denjenigen zu schulen und intern das Know-how aufzubauen.“ Und wie erkennen Unternehmen, dass der Einsatz von KI sinnvoll ist? „Dann, wenn es weh tut“, führte Ralf Walther fort. „Wenn etwas zu langsam ist oder zu viel Geld kostet, geht es darum, diesen Prozess zu optimieren, und da kann KI eine wichtige Rolle spielen. Ganz konkret werden Daten benötigt, die einerseits die Zielgröße, wie z.B. Umsatz, Gewinn, Umfragewerte, Produktverkäufe etc. enthalten, und die andererseits die Bedingungen beschreiben, die zu einem Zeitpunkt zu der Zielgröße geführt haben. Das kann zum Beispiel das Nutzerverhalten auf den Webseiten oder Anzahl und Inhalt von Produktbewertungen sein.“ Dass KI momentan von den Unternehmen hauptsächlich im Bereich der Prozessoptimierung angewendet wird, bestätigten auch Lisa Hornberger von bwcon und Daniel Burkhardt von der Ferdinand-Steinbeis-Stiftung. Sie wiesen deshalb auch auf die weiteren Fähigkeiten der KI hin, zu welchen lernen, vorhersagen, belohnen, erkennen, entscheiden und schlussfolgern zählen. In diesen Bereichen habe die KI noch viel Potenzial, so die beiden. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, braucht es aber vor allem eins: Daten. Dr. Christian Rohrdantz von der Vidatics GmbH betonte deshalb die Relevanz der verfügbaren Daten. Dabei sei es wichtig, dass die Daten für den Einsatz von KI richtig aufbereitet seien. „Viele Unternehmen stehen vor dem Problem sogenannte Trainingsdaten nicht in der geeigneten Qualität und Quantität zur Verfügung zu haben, was sie am Einsatz von KI hindert.“ Welche Datenmenge es benötige, um eine KI sinnvoll trainieren zu können, sei allerdings schwierig zu sagen. „Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich und muss oft empirisch ermittelt werden“, so Dr. Christian Rohrdantz. Ein weiteres Einsatzszenario von KI, stellte Matthias Nagel, Geschäftsführer der Bitfactory GmbH vor. So steckt hinter einem Portal für Mietverträge eine künstliche Intelligenz, welche Verträge auf Plausibilität prüft. „So können sowohl Mieter als auch Vermieter prüfen, ob der vorliegende Vertrag rechtens ist oder ob wichtige Paragrafen fehlen.“ Weitere Einsatzmöglichkeiten gebe es außerdem im medizinischen und diagnostischen Bereich, wo KI z. B. Hautveränderungen erkennen könne, so Matthias Nagel.

Wenn die KI dann im Einsatz ist, dann sei die Erwartungshaltung der Nutzer an die Qualität sehr hoch, stellte Prof. Jo Wickert fest. Wenn KI eingesetzt werde, um Schuh-Probleme zu lösen, sei es nochmal schwieriger, diesen Erwartungen standzuhalten. Dies sei vor allem beim Erstellen eines Interface der Fall: „Die Aufgabe der KI ist es, herauszufinden, ob z. B. ein Button besser in grüner oder roter Farbe beim Nutzer ankommt, und das ist wieder ein klassisches Schuh-Problem.“

Fotos: Johann Schmidt

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